Was Anschläge erzählen – Terrorismus als Kommunikation

Eigentlich zielt Terrorismus immer auf Medienaufmerksamkeit ab. Anschläge werden medienwirksam nach den Regeln des Nachrichtenwerts inszeniert, denn Terrorist*innen wollen nicht nur Opfer verletzen, sondern auch ein Publikum einschüchtern. Die Terrorgruppe, die im größten Prozess seit der Wiedervereinigung Deutschlands belangt wurde, hat sich allerdings erst Jahre nach ihrem letzten Mordanschlag dazu bekannt. Damit entzog sich der sogenannte „Nationalsozialistische Untergrund“ der Medienlogik rund um Terrorberichterstattung. Stattdessen verfolgten sowohl die Sicherheitsbehörden als auch die Medien vor allem Narrative der organisierten Kriminalität oder verdächtigten Angehörige und Opfer der Anschläge.

Das Wort Terrorismus kommt vom lateinischen terrēre: erschrecken, in Schrecken versetzen, das wiederum aus dem das Wort terror, terroris: der Schrecken abgeleitet wurde. In der Alltagssprache wurde der Begriff erstmals in der Französischen Revolution in Bezug auf die Terror-Herrschaft („régne de la terreur“) der Jakobiner angewendet. Dabei handelte es sich um Gewalt, die eine herrschende Macht gegen ihre Feinde anwendet, heute differenzierter als Staatsterrorismus bezeichnet. Seit russischen Anarchistengruppen im 19. Jahrhundert werden auch die Taten von Gruppen, die sich gegen ihr Regime richten, als Terrorismus bezeichnet. Diese Unterscheidung von Terrorismus in Repression und Revolte ist eine der grundlegenden Matriken, an denen verschiedene Formen des Terrorismus differenziert werden.

Eine einheitliche Definition gibt es für Terrorismus nicht, oft werden aber die Begriffe violence und force, political, fear und threat verwendet. Außerdem haben viele Definitionen gemein, dass sie den symbolischen, provokativen oder vergeltenden Charakter, die Wahllosigkeit und den Fokus auf die Zivilbevölkerung hervorheben, um Terrorismus von anderer Gewalt abzugrenzen.

Dass Terrorismus immer auch eine Massenkommunikationsebene inne liegt, zeigt sich am verbreiteten Vergleich terroristischer Taten mit Theater. Die Parallele wird damit begründet, dass neben den tatsächlichen Opfern eines Terroraktes die eigentliche Zielgruppe die unbeteiligten Zuschauenden sind. Deswegen sind Terroristische Anschläge sorgfältig inszeniert und in dramatischer und theatralischer Weise auf Aufmerksamkeit ausgerichtet. Ein hochkomplexer Sachverhalt wird möglichst einprägsam als „ästhetisiertes Schauspiel von Gewalt und Zerstörung“ dargestellt. Der schockierende Effekt, den terroristische Anschläge auf „Beteiligte und Rezipierende“ haben, ist dabei kein nebensächliches Merkmal sondern zentraler Bestandteil terroristischer Logik und Strategie, die auf maximale Aufmerksamkeit ausgerichtet sind. Für diese Aufmerksamkeit eines möglichst großen Publikums sind die terroristischen Akteur*innen auf Medien angewiesen. Besonders gewaltsame oder spektakuläre Taten werden eher von Medien publiziert und erlangen somit eher die Aufmerksamkeit der Bevölkerung. Daher werden terroristische Taten an die Selektionskriterien der Nachrichtenmedien angepasst, dieser Zusammenhang wird in Kapitel 3.3 noch weiter erläutert. Schon die Zeloten im antiken Palästina verübten ihre Anschläge bevorzugt auf öffentlichen Plätzen oder an Feiertagen, um möglichst viele Zeug*innen und Multiplikatoren zu haben, die die Nachricht und damit den Schrecken weiter verbreiteten.

Während im wissenschaftlichen Diskurs keine Einigung auf eine Definition von Terrorismus vorherrscht, besteht ein Konsens dazu, dass es einen Zusammenhang zwischen Terrorismus und Medien gibt. Beide Parteien profitieren direkt von einer Berichterstattung über Terrorakte: Einschaltquoten und Relevanz werden gegen Aufmerksamkeit und Bekanntmachung der terroristischen Ideologie getauscht. Daher wird auch von einer symbiotischen Beziehung zwischen Terrorismus und Medien gesprochen.

Die Kommunikation von terroristischen Akteur*innen lässt sich auf zwei Kategorien aufteilen: Bei der Kommunikation durch Taten wird durch die Auswahl symbolhafter Anschlagsziele deren Ablehnung kommuniziert. Aber auch durch Bekenntnisse und andere öffentliche Statements können Terrorist*innen ihre Gesinnung und Ideologie kommunizieren. Diese im Linksterrorismus und Islamismus üblichen Bekennerschreiben oder Identifikationszeichen am Tatort sind im rechtsextremen Terror nur bei einer Minderheit vertreten. Die Taten sind oft auch ohne Stellungnahme den Akteuren zuzuordnen, denn die Auswahl der Opfer oder Objekte lässt auf die politische Ideologie schließen. Und der psychologische Effekt, eine Zielgruppe zu terrorisieren ist dadurch auch ohne Proklamation konkreter Akteur*innen dadurch erreicht. Durch die häufige Abwesenheit klarer Bekenntnisse weist der rechtsextreme Terror allerdings strukturelle Unterschiede zu anderen Terrorformen auf.

Damit ist der NSU also nicht alleine. Seine Kommunikation untersuche ich für meine Bachelorarbeit und vergleiche die Berichterstattung mit klassischer Terrorismusberichterstattung. Vielleicht gibt es dazu dann auch noch einen Artikel.