ein. halbes. jahr.

Heute vor genau sechs Monaten hat für mich ein Lebensabschnitt aufgehört. Klingt irgendwie hart, dafür dass ich erst vierzehn bin aber so ist es nun mal. Natürlich habe ich ’ne Menge mitgenommen aus diesem Kapitel – immerhin war es mein erstes! – , Erfahrungen, Erinnerungen und Freunde.

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Heute vor genau sechs Monaten saß ich mit meiner Schwester im ICE von Stuttgart nach Hamburg. Wir hatten uns gerade am Ludwigsburger Hauptbahnhof verabschiedet, in der Regionalbahn habe ich mit meinem heftigen Schluchzen ein kleines Kind traumatisiert, seine Mutter hätte uns wohl am liebsten in den Arm genommen. Nun saßen wir da im ICE, zum ersten Mal in der 1. Klasse, und ich hatte das Gefühl im Nichts zu schweben. Von meinem alten Zuhause hatte mich mich verabschiedet, das Neue kannte ich noch nicht und ich wusste auch noch nicht, ob es jemals eine Heimat für mich sein könnte.

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Die gesamten Weihnachtsferien befand ich mich in so einer merkwürdigen Zwischenphase, ich gestaltete mein Zimmer, lernte ein paar Ostseeküstendörfchen und mit ihnen völlig verschiedene Seiten der Ostsee kennen, und definierte mein „Zuhause“ neu. Aber ständig saß mir diese Ungewissheit namens ‚Die NEUE SCHULE!!!‘  im Nacken. Keine Angst, aber Nervosität, Aufregung.

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Naja, und dann kam der erste Schultag, der 7. Januar, und zusammen mit Amelie und Elias und meinen Eltern wartete ich zur zweiten Stunde im Sekretariat. Nachdem Amy und Elias schon von ihren Lehrern abgeholt worden waren, kam dann auch Frau P. – wir nennen und ich schlängelte mich hinter ihr durch die Schülermengen bis zum Geografieraum, der für mich zu dem Zeitpunkt aber noch ein Erdkunderaum war…

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Und dann stand ich da vorne vor der Klasse und – nein, es haben mich nicht alle angeschaut. Hey, erster Schultag nach den Ferien, was erwartet ihr! Ich habe dann wohl irgendwas gesagt wie, ‚Ich bin die Marie. Komme aus dem Süden. Und jetzt wohne ich im Nachbardorf/Kleinstadt/Ort/Ansammlung-alter-hanseatischer-Villen/Hier-Namen-Einfügen.‘ Alle lachten, spätestens jetzt hatten mich auch alle bemerkt. Als ich dann neben R. – klar steht das für Radiesschen, was dachtest du denn?! – saß, beruhigte sie mich erstmal, außer mir würde noch eine andere Schülerin im oben erwähnten B.wohnen, sie sei allerdings von dem kleinen Ort nicht so übermäßig angetan, was sie wohl in der Klasse ein- bis zwei Mal hatte verlauten lassen, und deswegen fänden das alle so amüsant, dass die Neue ausgerechnet dort wohne.

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Okay, ich hatte die Klasse ja in den Herbstferien schon kurz kennen gelernt, und deswegen hing für mich an diesen ersten Minuten gar nicht so viel. Die Begrüßung hat mich da viel mehr irritiert. Stellt euch vor, ihr sitzt nichts ahnend da und plötzlich stimmt die ganze Klasse ein ‚Aaaineen wunderschönen guten Morgen FrauP.moin! an! Ich muss zugeben, mehr weiß ich gar nicht mehr über meinen dritten ersten Schultag. (Na, wer weiß welcher der erste und welcher der zweite war? Ja, du da hinten in der Ecke! Rrichtig, Grundschule – September 2006 – und Goethe-Gymnasium – September 2010. )

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Am Anfang wars es echt sehr anstrengend. Man – oder zumindest ich;) – stand ständig unter Hochspannung. Jeden Tag ist irgendetwas Neues passiert; das erste Mal im Chor, alleine morgens fremde Bahnen suchen, bei Raumänderung musste ich mehrmals ein paar kleine Unterstüfler fragen wo ich hin muss, hat denen auch gefallen endlich mal von den Großen nicht nur böse, genervt oder herabschauend behandelt zu werden…

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Ich finde, es war ein gutes Jahr. Unglaublich erlebnisreich – mein erstes Praktikum, das ich etwas notgedrungen in einem Hotel gemacht habe, ein tolles Wochende mit süddeutschem Besuch, eine Chorfahrt nach England, Osterferien in Dänemark, BUJU- Festival in Erfurt, und noch ne ganze Menge mehr. Und es waren auch nicht nur die großen Events die mich verändert haben.

Und ich bin dankbar dafür, was schon alles passiert ist. Ich bin dankbar für meine Familie, dankbar für alle die immer noch Kontakt zu mir haben wollen obwohl ich mich so feige aus dem Staub gemacht habe, und dankbar für die, die mich hier so offen aufgenommen haben. Und ich freue mich auf alles was noch kommt! Auf ’ne ganze Menge weiterer halber Jahre!

 

 

Dieser Sommer

Ich muss zugeben, ein paar Zweifel hatte ich ja schon. Schließlich haben beide Seiten so oft davon gesprochen, dass selbst ich mit meinem Sinn für Humor mir nicht mehr sicher war, ob das wirklich immer nur Sarkasmus ist.

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Es geht um den Sommer im Norden. Der wurde nämlich sowohl von meinen süddeutschen Bekanntschaften  („Da oben neben dem Polarkreis gibts des net“ oder so ähnlich) als auch von den Norddeutschen ( „So was ham wa hier nich“ , so in der Art) einfach geleugnet, der Arme! Sozial engagiert, wie ich nun mal bin, hab ich mich mal um ihn gekümmert und dachte mir: ‚Mensch, Marie! Du mit deinen 3000 Klicks am Tag, du könntest ihn doch mal ein wenig bewerben ( „Shoutout“ nennt man sowas auf Neudeutsch, glaub ich…) ! Sein Image wieder aufbauen und so!‘  Tja, gesagt – getan ; ich erzähle euch jetzt mal – nein, keine 20 unnützen Fakten – sondern etwas über meine Beziehung zu ihm, dem norddeutschen Sommer.

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Jedenfalls hatte ich mich schon mit dem Gedanken angefreundet, mir nie mehr Gedanken um meine Bikinifigur machen zu müssen und mich auch im Sommer der Öffentlichkeit nur mit Wollpullis zu präsentieren – da kam der letzte Freitag mit seinem nach Freibad, Eis und kurzen Klamotten riechenden Atem und haute mich einfach komplett um.

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Ich bin dann erst mal ins Kino, so verwundert über diese Überraschungsaktion. Aber eigentlich habe ich mich total gefreut, denn insgeheim hatte ich natürlich immer auf einen echten Sommer gehofft. So mit Baden im See, morgens ganz früh aufstehen und mit dem Rad über die Felder fahren, abends zusammen mit der Sonne lange draußen bleiben, Kirschen pflücken, barfuss nach Hause laufen und solchen Dingen halt.

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Allerdings habe ich den Verdacht, dass er nur Plattdeutsch spricht; so ganz durchschaut habe ich ihn nämlich noch nicht. Nicht nur, dass er nach nicht allzu langer Zeit einfach an einen unbekannten Ort abhaute, vor allem ging er ohne mir zu sagen, wann er wieder kommen würde. Oder eben ich habe ihn einfach nicht verstanden.

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Naja, ich hoffe, dass ihn seine erste Begegnung mit mir nicht zu sehr aus der Bahn geworfen hat und er noch mal wieder kommt!

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